Kapitel 3

Verschiedene Fragen, mein Traum, meine Hunde-Gedanken

Fragen nennt man solche Zeilen, an deren Ende ein Angelhaken steht -
das Fragezeichen. Mich quälen fünf Fragen.

         Warum sagt Sinas Papa immer: dem „fallen die Augen aus dem Kopf“?
Dabei fallen die nirgendwo hin - wieso erzählt er solchen Unsinn? Ich bin
heimlich in den Schrank geklettert, habe mich vor den Spiegel gesetzt, mit dem Kopf gewackelt, gedrückt und alles mögliche probiert, dass mir die Augen aus dem Kopf fallen. Quatsch. Nix ist passiert.

        Leben auf dem Mond auch Foxterrier, was essen sie und heulen sie die
Erde an, so wie ich manchmal den Mond? Was passiert mit ihnen, wenn der
Mondteller plötzlich für viele Tage irgendwohin verschwindet, wohin, weiß man nicht?

Mikki, Mikki, irgendwann verlierst du noch den Verstand!

        Warum bloß krabbeln die Fische in das leere Netz, das man Reuse
nennt? Ich meine, wenn du außerhalb des Wassers nicht leben kannst, dann
bleib doch mit deinem Arsch ruhig im Teich sitzen!
Sehr leid tun sie mir. Morgens schwimmen sie noch und pusten Luftblasen
nach oben, abends werden sie im engen und dunklen Menschenmagen
durchgekocht.
Und die fiese Katze verteilt die Reste ihrer Eingeweide noch hübsch im Garten.


         Warum war Sinas Kindermädchen immer brünett, aber heute hat sie
Haare wie Stroh? Sina kicherte, aber ich habe mich erschreckt und gedacht:
gut, Mikki, dass du ein Hund bist....  stell dir vor, du wärst mit einer solchen
Papageiin verheiratet: Dienstag hat sie schwarze Haare, Mittwoch - orangene,

und am Donnerstag - blaue mit grünen Streifen...Fuu, ganz heiß wird mir
bei dem Gedanken.    

         
              Warum kriege ich sofort einen Maulkorb verpasst, wenn ich mich
einmal 1 bisschen daneben benehme, aber der Gärtner ist zweimal die Woche

besoffen und krakeelt und brüllt wie ein verrückt gewordener Stier  -  und
macht das was?! Sinas Papa sagt, dass der Gärtner im Krieg traumatisiert
worden sei und man deswegen nachsichtig sein müsse.
Ich muss unbedingt erfahren, was ein „Trauma“ ist und will auch sowas haben. Vielleicht ist man dann auch mit mir nachsichtiger.   

So, jetzt hole ich mir erstmal einen Knochen (versteckt habe ich den, aber wo, das verrate ich nicht!).
Hinterher schreibe ich weiter.

                                  ***

Ach, was habe ich geträumt!
Ich war der Direktor des Hunde-Gymnasiums. Die Hunde lernten in verschie-
denen Klassen die „Geschichte berühmter Hunde“, „Gutes Benehmen für
Hunde von Welt“, „Wie ißt man einen Markknochen?“ und andere für Hunde
passende Themen.
Ich betrat die Klasse und sagte: „Moin, kleine Welpen“.
„Hau-hau-hau, Herr Direktor“.
„Zufrieden mit ihnen, Herr Mops?“
Herr Mops, der Rhetoriklehrer, verbeugte sich und brummelte „Beschweren
kann ich mich nicht. Sie sind fleißig“.
„Na schön. Erlauben Sie ihnen in meinem Namen eine halbe Stunde Pause“.

Herr im Himmel, was ging denn dann ab! Die ganze Bande von Welpen
stürzte sich auf mich und schmiss mich auf den Boden...einer goss das
Tintenfass über mich aus, ein anderer piekste mich mit der Feder in den Schwanz - aua! Der dritte zog an meinem Ohr, als sei es aus Gummi.... ich kreischte wie eine Lok beim Bremsen  -  und bin aufgewacht.

Mond. Auf dem Fußboden sitzt eine einsame Kakerlake und knabbert an
einem Keks, den Sina hat liegen lassen.
Der Fensterladen klappert.
Oj-oj-oj.
Sinas Tür ist zu. Ich schleiche mich durch den Flur hinter die Küche und rolle
mich auf dem Teppich vor dem Bett der Köchin zusammen.
Natürlich mag ich sie nicht.
Natürlich schnarcht sie dermaßen, dass die Dosen auf dem Regal wackeln.
Natürlich steckt sie ihren dicken Fuß aus dem Zudeck heraus und wackelt
im Schlaf mit den Zehen.
Aber was willst du machen?

Im Fenster wird es schon hell, aber ich bleibe noch liegen und überlege, was
mein Traum bedeuten mag? Die Köchin hat ein zerfleddertes Buch mit dem
Titel „Traumdeutungen“. Oft blättert sie mit ihren speckigen Fingern darin
und buchstabiert silbenweise etwas über einen Bräutigam.
Aber wer sollte diesen mondgesichtigen Drachen schon heiraten?

Mit den „Traumdeutungen“ kann ich nichts anfangen. Hundeträume
kommen darin sowieso nicht vor. Aber vielleicht lässt sich mein Traumbild
doch mit Händen greifen?
D.h. in diesem Fall mit Pfoten.

                                       ***

Gedanken.
Das Wasser friert nur im Winter, aber ich jeden Morgen. Die fieseste mensch-
liche Erfindung: das Halsband aus Hundeleder. Warum pflügt unser Nachbar das Feld und sät Brot aus, wo es doch nebenan einen Bäcker gibt? Wenn ein kleiner Welpe eine nur winzige Pfütze auf dem Fußboden verfertigt, wird er mit der Nase hineingedrückt; aber wenn Sinas kleines Brüderchen das gleiche macht, hängen sie die Windel an die Leine und küssen ihm die Füßchen:
wenn schon Strafe, dann für alle!

Ich habe mich mit dem Igel gekabbelt, aber er ist unfair: versteckt seinen
Kopf, und von allen Seiten siehst du nur einen Hintern mit Stacheln. R-r-r-r.
Nennt man sowas einen ehrlichen Kampf?
Habe eine Wurst gegessen und aus Versehen den Bindfaden verschluckt.
Habe ich jetzt auch einen Blinddarm?

Sina riecht nach Mandelmilch, ihre Mutter nach warmem Brötchen, Papa:
nach alter Aktentasche, und die Köchin...drei Pünktchen...

Mehr Gedanken hab` ich nicht. Pfff. Warum kommt niemand auf den Gedanken,

mir ein Stückchen Zucker zu geben?

Fox Mikki
der in Wirklichkeit eigentlich Professor sein müsste